Prüfen, Rufen Drücken: Grainauer Schüler lernen Leben retten.
Nur in knapp jeden zweiten Fall leistet ein Laie in Deutschland bei einem Herzstillstand Erste Hilfe und ergreift Wiederbelebungsmaßnahmen. Deutlich weniger als in anderen Ländern. Daran wollen Deutschlands Anästhesisten in Zusammenarbeit mit den Kultusministerien etwas ändern. Der Ärztliche Leiter des Klinikums Garmisch-Partenkirchen, Dr. Werner Leidinger – selbst Notarzt und Chefarzt des Rotkreuz-Kreisverbandes – hat deshalb dieses Projekt für die Schulen im Landkreis aufgesetzt. Mit eigens entwickelten Programmen werden Lehrer in der Herz-Lungenwiederbelebung trainiert, sodass sie dieses Wissen im Unterricht an die Schüler weitergeben können. Der Kiwanis Club Garmisch-Partenkirchen spendet das Geld für die Anschaffung der ersten zehn Puppen für die Grundschule in Grainau.
Petra Anschütz schaltet den Verstärker ein, aus den Boxen singen die BeeGees „Staying Alive“. Sofort beugen sich zehn Schüler der Grundschule Grainau über den „Ambuman“ und pressen seinen Plastikbrustkorb mit durchgedrückten Armen im Rhythmus der Musik ein. Wie kein anderer passt der Hit aus dem Jahr 1977 zur Herzdruckmassage. Geduldig erklärt Dr. Werner Leidinger den 8- bis 9-jährigen der 3. Und 4. Klasse der Grundschule in Grainau, wie man im Ernstfall ein Leben rettet. Das wichtigste ist, prüfen ob jemand nicht mehr atmet, dann sofort den Notruf 112 absetzen und mit der Reanimation beginnen. Die Schüler sind mit Feuereifer dabei. Anfang der Woche erhielt die Grainauer Schulleiterin Petra Anschütz zehn Übungspuppen, die speziell für den Einsatz im Klassenzimmer entwickelt wurden. Die Grundschule unter der Zugspitze ist die erste Schule im Landkreis die bei dem Projekt mitmacht. Petra Anschütz: „Wir sind sozusagen die Versuchskaninchen um herauszufinden, ab welchem Alter das Training Sinn macht.“ Auch Erstklässler kommen mit der Übungspuppe anscheinend gut zurecht, verstehen sofort worauf es im Ernstfall ankommt.
„Einfach und robust“, das sind in den Augen von Werner Leidinger die Haupteigenschaften des Reanimationskits. „Der Einsatz im harten Schulalltag ist nichts für komplizierte Technik“, sagt er. Künftig sollen die Schüler etwa alle zwei Monate an den Puppen üben. Entscheidend für das Gelingen des Projektes war deshalb, dass sie dauerhaft an jeder Schule bleiben können.
Für die Grundschule in Grainau hat der Kiwanis Club Garmisch-Partenkirchen die Anschaffung finanziert. Präsident Günter Meck und seine Mitstreiter kümmern sich vor allem um die Belange von Kindern. „Als die Anfrage an uns herangetragen wurde, haben wir sofort ja gesagt.“ Auch für weitere Puppen für alle Schulen im Landkreis gibt es bereits Spendenzusagen. Ziel ist es, dass möglichst an allen Grund-, Mittel- und weiterführenden Schulen die Laienreanimation gelehrt und gelernt wird. Ab dem kommenden Schuljahr wollen Klinikum und Rotes Kreuz deshalb gezielt Schulleiter und Lehrer ansprechen. „Wenn Kinder lernen im Ernstfall richtig zu reagieren und beherzt helfen, dann wird hoffentlich auch in Deutschland die Quote für Laienreanimation steigen.“ Bei weniger als jedem zweiten Herzstillstand leistet hierzulande ein Ersthelfer richtig Erste Hilfe. In anderen Ländern sind es über 70%. „Viele Leute haben nur einmal im Erste-Hilfe-Kurs bei der Führerscheinprüfung etwas über Reanimation gelernt, haben Angst etwas falsch zu machen.“ Diese Angst möchte Werner Leidinger den Kindern mit seinem Projekt nehmen. Interessierte Schulen und Lehrer können sich bereits jetzt an das BRK, Tel.: 08821-94321-0 wenden. Ab dem kommenden Schuljahr 2019/20 haben alle Schulen im Landkreis die Möglichkeit am Projekt teilzunehmen. Die Lehrerinnen werden von Ausbildern des BRK im Umgang mit den Puppen geschult. Der Verband der deutschen Anästhesisten und Intensivmediziner hat umfangreiches und zielgruppengerechtes Lehrmaterial entwickelt, das ebenfalls kostenlos zur Verfügung steht. (www.schuelerrettenleben.de)